Mein Velomobil Milorean GT
1 Vorab: Kein Twizy mehr?
Den Twizy habe ich abgegeben, da ich ihn zu wenig brauche und er sich kaputt steht. Konkret heißt dass, ich kann mich nicht mehr darauf verlassen damit spontan sicher zur Arbeit zu kommen. Gerade im Winter, bei viel Heimarbeit, bekommt es weder Bremsen noch Akku gut lange nicht gebraucht zu werden. Warum ich ihn mal anschaffte steht hier.
Und es ist halt ein reines Nutzfahrzeug, für Spaß- oder Sportfahrten habe ich ja bereits vorher gegravelt.
2 Was ist ein Velomobil?
Ein vollverkleidetes Liegefahrrad, dass im Vergleich zum normalen Fahrrad
- von Wind und Wetter unabhängiger macht
- durch durchdachte Aerodynamik die gemütliche(!) Durchschnittsgeschwindigkeit um 10-15km/h steigert
Es gibt weitere Unterschiede bzw. Vorteile, auch ein wenig Nachteile, aber das sind die Hauptgründe. Und natürlich gibt es verschiedene Velomobile. Der Milan gefällt und passt mir am Besten.
3 Wie alles begann
Wie oben angedeutet brauchte ich Ersatz für den Twizy, um wieder sicher zur Arbeit zu kommen. Mit Verbrennern bin ich durch, und ein Elektro-Auto ist bei uns als Zweitwagen einfach zu teuer für das viele Rumstehen. Bei meiner Suche stolperte ich über das velomobilforum, las mich in ein paar Threads ein und war erschrocken und begeistert zugleich. Hier ein paar Eckdaten:
- Auf eine Nutzungszeit von 10 Jahren gerechnet, kostet der Milan geschätzt inkl. Anschaffung, Fixkosten, Wiederverkaufswert etc. pro Jahr etwa 480€, der Twizy 1.310€ und der Verbrenner 4.300€
- Es ist auch ein hervorragendes Sportgerät, in dem man viel in Natur rumkommt
- Ein Velomobil kostet neu etwa 10.000€ (+/- 3.000€, je nach Modell und Ausstattung), der Wertverlust ist ziemlich gering im Vergleich zu Autos
- Die Karosserie ist weitestgehend in Handarbeit aus Carbon gefertigt
- Die Ausstattung (Gangschaltung, Bremsen, …) ist ähnlich wie beim normalen Fahrrad flexibel und austauschbar
- Damit kann man 90km/h fahren - ok, bergab, aber damit offiziell mehr als der
Twizy ab Werk :)
- (Inzwischen hab ich im Forum gelesen jemand hat auch 120km/h geschafft, will das aber nicht wieder holen :D
4 Erster Test
So ein Teil sieht ja schonmal ganz schön ungewöhnlich aus, und ob ich die Geschwindigkeit erreiche, mir das gefällt, für mich funktioniert, will ja mal ausprobiert werden. Ich landete beim hervorragenden Henning in Ottersberg bei Bremen: velomobil.net, und Tatsache: nach spannender Einleitung merke ich: Geil. Geschwindigkeit kann ich erreichen, Fahrkomfort ist spitze, dieses Liegen, der Wetterschutz, alles, von dem ich im velomobilforum gelesen habe, stimmt und passt für mich.
5 Erste Erfahrungen
Sieht dich überhaupt jemand, wenn du auf der Straße fährst? Denn für knapp 50km/h sind ja die wenigsten Radwege ausgelegt (Ein-/Ausfahrts-"Schanzen" innerorts, enge Kreuzungen, Äste, Baumwurzeln, Bordsteinkanten…).
Auf der Straße werde ich allermeistens mit Respekt behandelt, wie ich es auch vom Twizy gewohnt bin. Klar gibt es Ausnahmen, aber da wäre wohl egal, was ich fahre.
Die Jungfernfahrt des Milorean GT, wie ich ihn getauft habe, ein hipper Mashup aus Milan und Delorean von Zurück in die Zukunft, mit Reflexstreifen aufgepeppelt (siehe velomobilforum), ging auch gleich über 200 Kilometer, und war spitze. Gemütlich, ohne Muskelkater, Pannen oder sonstigen Störungen. Angedacht (und möglich laut Forum) wäre gewesen alles gemütlich an einem Tag zu fahren, da ich mich aber ordentlich mit Henning verquatscht habe sind doch 2 Tage geworden.
Es ist halt wie beim normalen Radeln: viel Natur, Frischluft, Bewegung, gut für die Gesundheit Pendelverkehr (wenn mal Stau ist, wird auf den Radweg ausgewichen), bloß mit dem Bonus, dass Regen und Wind egal ist, und auch nach Regen von unten kein Matsch etc. stört.
Im Winter bei 0°C fahre ich noch immer in T-Shirt und kurzer Hose. Das glaubt halt keiner, der es nicht erlebt hat. Durch die Karosse bleibt halt das Wärmepolster erhalten, und ich als Motor bin auch ne gute Heizung. Bloß wegen dem Beschlagen der Scheibe (die ähnlich funktioniert wie beim Motorradfahren) kommt ein Schlauchschal dazu, damit ich (der jetzt ja deutlich mehr atmet als beim Twizyfahren, a) nicht so kalte Luft einatme und b) es nicht so doll beschlägt.
Im Sommer kann auch sehr gut belüftet werden, wenn ich da auch mehr schwitze als jetzt, aber im Alltag strampel ich ja auch nicht so wie bei Sporttouren.
Jetzt, wo das Wetter irrelevanter ist radel ich mit dem Milorean deutlich regelmäßiger als ich es gravelnd je tat. Und es tut mir gut, und ich merke, wie ich besser/schneller werde, immer mehr Strecken entdecke.
6 Verkehrswende?
Keine Ahnung. Ich glaube: Verbrenner durch E-Autos, die dann auch irgendwann autonom unterwegs sind, zu ersetzen schafft auch nicht mehr Platz im Straßenverkehr. Im Gegenteil, die werden ja immer größer, die Karren - und viele Menschen immer fauler bezüglich der eigenen Bewegung, aber hektischer bezüglich der Mobilität.
Velomobile sind kleiner, gerade auf Mittelstrecken vergleichbar schnell (Stau, Stadtverkehr, Parkplatzsuche…), und können gerade mit einer E-Motor-Unterstützung eine Wende bringen. Denn beim Aufrechtrad bleibt der Regen bzw. Dreck von unten immernoch ein unberechenbarer Faktor für viele. Da müsste halt mehr Aufklärung, Massenfertigung oder ähnliches her. Denn die Gesamtrechnung, dass sich ein Velomobil für um die 10.000€ am Ende doch deutlich lohnt (nicht nur finanziell, auch für die Gesundheit) im Vergleich zum Verbrenner oder E-Auto, das machen halt die wenigsten.
Ach ja, und subventioniert wird hier halt auch noch nichts. Radwege sollen überall kommen, aber die werden kaum überdacht sein. Pendlerpauschale? Kaufprämie? Sucht man hier vergebens. Jobrad oder Bikeleasing sind oft gedeckelt, schade Schokolade.
Ich hab es trotzdem gemacht: irgendwer muss ja den Anfang machen, wieso nicht auch ich :D